international

Experteninterview mit Vitali Losing von INNERECOMMERCE zur Datenqualität im E-Commerce - Teil 1


Das Thema Datenqualität hat gerade im E-Commerce eine hohe Priorität. Über die Hintergründe sprachen wir mit Vitali Losing, E-Commerce-Experte mit fundierten Branchenkenntnissen und Gründer der INNERECOMMERCE GmbH. Das Unternehmen unterstützt E-Commerce-Plattformen mit modernen Webservices, darunter Adressverifizierung, Adressvervollständigung, Bonitätsprüfung, E-Mail-Adressprüfung, Sanktionslistenprüfung und Geolokalisierung.

Vitali Losing, E-Commerce-Experte und Gründer der INNERECOMMERCE GmbH.

Inhaltsverzeichnis:
 
 

Melissa: Herr Losing, wie können E-Commerce-Anbieter von Anfang an eine möglichst positive User Experience in ihrem Shop sicherstellen?

Vitali Losing: Die initiale User Experience ist der kritische Pfad zur Conversion. Sie entscheidet maßgeblich darüber, ob ein Besucher den Check-out-Prozess abschließt oder vorzeitig abbricht. Dabei zählt jeder einzelne Klick. Ein besonders wirksamer, oft unterschätzter Hebel ist das Routing der Nutzer auf die jeweilige Länderseite – idealerweise auf Basis von Geolokalisierungen der IP-Adressen. Das klingt zunächst technisch sehr aufwändig, ist aber durch die Integration entsprechender Services einfach zu realisieren. E-Commerce-Anbieter können auf diese Weise eine optimale User Experience sicherstellen, da ihre Besucher direkt die jeweils passende Währung und Sprache sowie entsprechende Versandoptionen vorfinden. Denn wenn ein Besucher aus UK auf der deutschen Seite landet, kann das zu Frustration führen – sei es durch falsche Währung, Sprache oder Versandoptionen. Eine Fehlleitung hier erzeugt sofort unnötige Friktion.
                                                                                                                                                                                                                       Vitali Losing, Gründer der INNERECOMMERCE GmbH

                                                                                                                                                                                                           (Quelle: Vitali Losing)

Neben dem Routing ist es für eine positive User Experience essenziell, dass E-Commerce-Plattformen ihre Besucher unterstützen und nicht kontrollieren. Anstelle starrer Formulare bedarf es dazu einer dynamischen, dialogorientierten Interaktion mit Echtzeit-Validierungen, hilfreichen Hinweisen und einer Nutzerführung, die sich an den Bedürfnissen der Zielgruppe orientiert. Dabei sollten nicht nur der kulturelle und regionale Kontext berücksichtigt werden, sondern auch Technologieaffinität, Device-Präferenzen, bevorzugte Zahlungsarten, Datenschutzbedenken, sprachliche Tonalität, sozioökonomische Hintergründe sowie Aspekte der Barrierefreiheit.

Auch eine optimierte Adresseingabe trägt zu einer hervorragenden User Experience bei. So sorgen eine Autovervollständigung dafür, dass Kunden möglichst wenig tippen müssen und verifizierte Adressen ins E-Commerce-System gelangen. Auf diese Weise lassen sich Kaufabbrüche vermeiden und gleichzeitig operative Ineffizienzen in der Auftragsabwicklung deutlich reduzieren.

Schließlich ist die kontinuierliche Optimierung durch Datenanalyse und Testing entscheidend. Hier kommen beispielsweise Micro-Conversions ins Spiel, aber auch umfassende Analysen des Nutzerverhaltens. Nur wer seine Kunden wirklich versteht und bereit ist, sich ständig weiterzuentwickeln, kann eine nachhaltig positive User Experience sicherstellen.

Melissa: Welches sind aus technologischer Sicht die Must-haves im E-Commerce?

Vitali Losing: Diese Frage lässt sich mit drei zentralen Punkten beantworten:

  1. Reduktion der Check-out-Komplexität:
    Laut einer aktuellen Studie des Baymard Institute haben 18 % der US-Shopper im letzten Quartal einen Kauf abgebrochen, weil der Check-out-Prozess zu lang oder zu kompliziert war. Dabei zeigt die Forschung, dass sich viele dieser Abbrüche durch ein optimiertes Prozessdesign vermeiden ließen. Während ein idealer Check-out lediglich zwölf Elemente enthält, davon höchstens sieben Formularfelder, wiesen die in der Studie untersuchten E-Commerce-Systeme im Durchschnitt mehr als 23 Elemente auf. Entscheidender als die Zahl der Schritte im Check-out ist laut Baymard, welche Aktionen die Nutzer auf jeder Seite ausführen müssen – insbesondere die Zahl und Art der auszufüllenden Formularfelder. E-Commerce-Anbieter, die diese reduzieren und die Formulare benutzerfreundlich gestalten, steigern ihre Abschlussquoten erheblich. Tatsächlich zeigt die Studie, dass Shops ihre Conversion Rate allein durch Designoptimierungen im Check-out um durchschnittlich 35 % steigern konnten.
  2. Einsatz von Adressvervollständigung (Address Completion) & Adressvalidierung (Address Check):
    Warum? Weil diese Dienste einen direkten Einfluss auf die Conversion Rate, Datenqualität und Kundenzufriedenheit haben. Die Autovervollständigung ist im Suchbereich, z. B. bei Google, aber auch im Bereich der Produktsuche auf den E-Commerce-Plattformen, längst Standard, – warum also nicht auch bei der Adresseingabe? Gerade auf mobilen Geräten kann jeder überflüssige Schritt zum Kaufabbruch führen. Untersuchungen von Shopify zeigen, dass die Eingabezeit mit einer Adressvervollständigung um ca. 20 % sinkt – und damit die Conversion Rate steigt. Die präzise und zuverlässige Eingabe von Adressdaten beschleunigt den Check-out-Prozess erheblich, vermeidet Tippfehler und erhöht die Zustellqualität. Auch Supportanfragen, Retouren und unnötige Korrekturen durch den Zusteller werden reduziert. In Kombination mit einer Adressvalidierung auf Hausnummernebene ergibt sich eine deutlich höhere Datenqualität und damit eine reibungslose Auftragsabwicklung.
  3. Effektive Betrugsprävention:
    Gerade beim Kauf auf Rechnung oder beim Versand hochpreisiger Produkte ist es unerlässlich, die Zahlungsfähigkeit und Seriosität des Kunden frühzeitig korrekt einzuschätzen. Eine wirksame Betrugspräventionsstrategie kombiniert Bonitätsprüfung, IP-basierte Plausibilitätsanalyse, E-Mail-Adressverifizierung und Geräteerkennung (Device Fingerprinting). So lassen sich verdächtige Bestellungen frühzeitig erkennen – noch bevor es zu Zahlungsausfällen oder anderen betrugsbedingten Verlusten kommt. Ergänzend können individuelle Regelwerke erstellt werden, um beispielsweise Bestellungen aus bestimmten Regionen, auffällige Warenkörbe oder untypische Kaufmuster automatisch zu identifizieren und zu prüfen.

Melissa: Was müssen E-Commerce-Anbieter darüber hinaus beachten, um ihre Internationalisierung voranzutreiben?

Vitali Losing: Globalisierung bedeutet in erster Linie, lokal zu denken. Die Anforderungen an Formate, Sprachen und Prozesse unterscheiden sich von Land zu Land. Wer das nicht berücksichtigt, verliert Kunden. E-Commerce-Anbieter sollten daher lokale Zahlungsarten im Shop anbieten, Preise und Lieferoptionen dynamisch anpassen und Formulare bereitstellen, die den örtlichen Gepflogenheiten entsprechen.

Wichtig ist zudem die Erfassung und Validierung von Adressen im jeweils lokalen Format, um eine reibungslose Logistik zu gewährleisten. Dazu zählt auch die Unterstützung und korrekte Verarbeitung unterschiedlicher Zeichenkodierungen, etwa für kyrillische, chinesische, arabische oder japanische Schriftzeichen und deren Transliteration.

Ein oft unterschätzter Aspekt ist die internationale Sanktionslistenprüfung. Diese ist nicht nur gesetzlich vorgeschrieben, sondern schützt auch die Reputation des Unternehmens.

Melissa: Können Sie genauer beschreiben, was eine Sanktionslistenprüfung ist?

Vitali Losing: Die Sanktionslistenprüfung ist nicht nur im E-Commerce unerlässlich. Vielmehr sind die Unternehmen verpflichtet, sicherzustellen, dass sie keine Geschäfte mit gelisteten Personen, Organisationen oder Ländern tätigen. Sanktionslisten werden von staatlichen und internationalen Institutionen herausgegeben, wie der Europäischen Kommission, den Vereinten Nationen oder dem US-amerikanischen Office of Foreign Assets Control, und regelmäßig aktualisiert. Sie dienen der Bekämpfung von Terrorismusfinanzierung, Geldwäsche und anderen illegalen Aktivitäten.

Verstöße von Unternehmen gegen Sanktionslisten können das Einfrieren von Vermögenswerten, Handelsbeschränkungen, hohe Geldbußen und den Ausschluss von bestimmten Märkten zur Folge haben und damit die Geschäftskontinuität erheblich gefährden. Hinzu kommen nicht zu unterschätzende Imageschäden sowie deren Folgen wie Kundenverluste oder Boykotte.

Im E-Commerce mit seiner potenziell globalen Reichweite und den oft anonymen Online-Transaktionen ist die Gefahr, unbeabsichtigt Geschäfte mit sanktionierten Parteien zu tätigen, besonders groß. Ohne geeignete Kontrollmechanismen können E-Commerce-Anbieter schnell gegen geltendes Recht verstoßen. Dies gilt in der Regel als grob fahrlässig, insbesondere wenn keine oder nur unzureichende Compliance-Maßnahmen implementiert wurden.

Melissa: Welche Kriterien sollten bei der Auswahl eines Anbieters für die Sicherstellung der Datenqualität berücksichtigt werden?

Vitali Losing: Aus meiner Sicht sind folgende Aspekte entscheidend:

  1. Verlässlichkeit der Datenbasis:
    Die Qualität der Daten steht und fällt mit den Quellen, gegen die sie geprüft werden. Diese Datenquellen müssen verlässlich und global verfügbar sein.
  2. Einfache Integration & Erweiterbarkeit:
    Ein guter Service sollte unkompliziert als RESTful-API integrierbar sein – idealerweise über einen einzigen Endpoint. Das reduziert den Implementierungsaufwand und ermöglicht es, die Lösung bei Bedarf flexibel um zusätzliche Services wie Geokodierung, IP-Lokalisierung, PEP- & Sanktionslistenprüfung oder E-Mail-Validierung zu erweitern.
  3. DSGVO-Konformität & Hosting:
    Der Anbieter muss alle notwendigen Vorkehrungen zum Datenschutz treffen. Seine Systeme sollten in Deutschland oder zumindest in Europa gehostet werden und vollständig DSGVO-konform sein.
  4. Partnerschaft:
    Oft hören wir von Kunden, dass sie sich für uns entschieden haben, weil wir auf langfristige Partnerschaften setzen. Auch das ist für mich ein wichtiger Faktor bei der Anbieterauswahl.

Vielen Dank, Herr Losing für die ausführlichen Erläuterungen.

In Kürze werden wir mit ihm darüber sprechen, wie sich eine schlechte Datenqualität auf die Prozesse in Unternehmen auswirkt und welche Kosten damit verbunden sind. Außerdem wird er den unmittelbaren Zusammenhang zwischen Adressqualität und den ROI erklären. Stay tuned!

Hier geht es zum zweiten Teil des Interviews: https://blog.melissa.com/de-de/global-intelligence/interview-2-vitali-losing-datenqualitaet-ecommerce

Similar posts